Finnische Gelassenheit
Bücher, Pausen und die Kunst, im Moment zu leben
Finnische Gelassenheit ist eine Lebenshaltung, die vielen Menschen sofort einfällt, wenn sie an das glücklichste Land der Welt denken. Ruhe, innere Balance und eine große Liebe zu Büchern prägen die finnische Kultur. Doch was steckt wirklich hinter dieser Gelassenheit – und wie kannst du dir selbst ein Stück davon abschauen?
Kennst du das Gefühl, in der falschen Schlange an der Supermarktkasse zu stehen? In Deutschland oft ein Garant für Stress und innere Unruhe – in Finnland ein Moment der Gelassenheit. Denn die Finnen beherrschen es, Dinge zu akzeptieren, die sie nicht ändern können.
Diese Haltung zeigt sich in vielen Situationen des Alltags:
- Pausen werden bewusst genommen – nicht nebenbei, sondern richtig.
- Die Natur wird genutzt, um Stress abzubauen. Ein Spaziergang im Wald senkt nachweislich den Herzschlag.
- Sauna ist ein wöchentliches Ritual, das Körper und Geist gleichermaßen entspannt.
Gelassenheit in Finnland bedeutet, Pausen nicht als Zeitverschwendung, sondern als Lebensqualität zu sehen.
Leben in und mit der Natur
Ein wesentlicher Bestandteil finnischer Gelassenheit ist die Nähe zur Natur. Ob im Wald, am See oder in den Schäreninseln – viele Finnen verbringen ihre freie Zeit draußen.
Wissenschaftlich ist belegt, dass schon 15 Minuten im Wald messbar entspannen. Deshalb gehören Gummistiefel, Waldspaziergänge und Beerenpflücken ganz selbstverständlich zum Alltag. Stress wird nicht verdrängt, sondern an der frischen Luft abgebaut.
Kunst und Kultur als Seelennahrung
Neben der Natur spielt auch Kultur eine große Rolle. Theater, Ausstellungen und Musikfestivals sind beliebt, doch vor allem Bücher sind aus dem finnischen Alltag nicht wegzudenken. Die Liebe zum Lesen ist tief verankert und wird schon in der Kindheit gefördert.
Die Bücherliebe der Finnen
Finnland ist eines der buchaffinsten Länder der Welt. Einige Fakten:
- Rund ein Drittel der Bevölkerung liest mindestens ein Buch pro Monat.
- Durchschnittlich gehen die Menschen zehnmal im Jahr in eine Bibliothek.
- Jährlich werden etwa 70 Millionen Bücher ausgeliehen – das entspricht mehr als einem Buch pro Person pro Monat.
Zum Vergleich: In Deutschland kaufen Menschen häufiger ihre Bücher, doch lesen sie im Schnitt weniger und kürzer. Die finnische Lesekultur hat einen entscheidenden Vorteil: Schon in der Grundschule werden Kinder spielerisch ans Lesen herangeführt. Es gibt keine Pflichtlektüren, sondern freie Auswahl. Lesen ist damit Freude, nicht Zwang – und das prägt die Einstellung ein Leben lang.
Mumins – Finnlands liebste Buchhelden
Eine besondere Rolle spielen die Mumins. Die weißen trollähnlichen Figuren stammen aus der Feder von Tove Janssonund sind seit den 1940er-Jahren Teil der finnischen Identität. Generationen von Kindern sind mit den Abenteuern der Mumins groß geworden. Noch heute sind sie in Bibliotheken, Buchhandlungen und sogar Freizeitparks präsent.
Bibliotheken als Wohnzimmer
In Finnland sind Bibliotheken mehr als Orte zum Bücherleihen – sie sind öffentliche Wohnzimmer.
Oodi in Helsinki
Die Zentralbibliothek Oodi ist ein Paradebeispiel. 2018 eröffnet, gilt sie als eine der modernsten Bibliotheken der Welt. Neben Millionen von Büchern gibt es dort:
- Kreativräume mit 3D-Druckern und Nähmaschinen
- Tonstudios für Podcasts und Musikaufnahmen
- offene Arbeitsplätze mit Highspeed-Internet
- gemütliche Leseecken mit Blick auf das Parlamentsgebäude
Nicht umsonst nennen viele Oodi „das Wohnzimmer Helsinkis“.

Moderne Ausstattung
Im Unterschied zu vielen deutschen Bibliotheken sind finnische Häuser architektonisch beeindruckend und technisch auf dem neuesten Stand. WLAN ist selbstverständlich, Räume sind hell und einladend. Kein Wunder, dass Bibliotheken in Finnland als kulturelle Zentren gelten.
Bibliotheksbusse
Besonders in ländlichen Regionen fahren mobile Bibliotheken regelmäßig von Ort zu Ort. So erreichen Bücher auch abgelegene Dörfer – ein Service, den viele Finnen schätzen.
Lesen als Stresskiller
Dass Lesen entspannt, ist wissenschaftlich belegt. Eine Studie der University of Sussex zeigte, dass schon sechs Minuten Lesen den Stresspegel um 68 % senken kann. Herzfrequenz und Muskelspannung gehen zurück, Gedanken kommen zur Ruhe.
Das erklärt, warum so viele Menschen in Finnland Bücher als festen Bestandteil ihres Alltags sehen. Ob Roman, Gedichtband oder Sachbuch – Lesen bedeutet, in eine andere Welt einzutauchen und den Kopf frei zu bekommen.
Gelassenheit und Glück
Finnische Gelassenheit hängt eng mit dem Glücksverständnis zusammen. Statt ständig nach mehr zu streben, genießen viele Finnen das, was sie haben. „Zufriedenheit im Jetzt“ ist ein zentraler Wert.
Lesen, Natur, Sauna und Kultur sind keine Luxusgüter, sondern öffentlich zugängliche Ressourcen. Das macht es leichter, innere Ruhe zu finden und Stress zu vermeiden.
Fazit: Was wir von den Finnen lernen können
Finnische Gelassenheit ist kein Geheimnis, sondern eine Haltung: Pausen ernst nehmen, Natur genießen, Kultur wertschätzen und sich Zeit für Bücher nehmen.
Vielleicht sollten wir uns häufiger fragen: Muss ich mich wirklich über diese Schlange im Supermarkt ärgern? Oder könnte ich stattdessen ein Buch lesen, in die Sauna gehen oder einfach tief durchatmen?
Finnische Gelassenheit und die Liebe zu Büchern zeigen, dass Glück oft in den kleinen Dingen liegt – und dass man Gelassenheit tatsächlich lernen kann.
