Superfoods
Wie toxisch Marketing im Ernährungsbereich sein kann
Kaum hat das Jahr angefangen, geht’s auf Social Media wieder los: Saftkuren, Detox-Tees, magische Pulver, Kapseln mit Vitamin-Komplex und natürlich jede Menge „Superfoods“. Alles klingt nach dem Shortcut zu Gesundheit, Energie und einer schlanken Figur. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Ist es auch.
Denn während uns Influencer:innen mit perfekt gefilterten Frühstücksbowls vorgaukeln, man brauche nur Chiasamen und Acai-Beeren, um um 5 Uhr morgens motiviert aufzustehen und Yoga zu machen, steckt dahinter oft vor allem eins: Marketing. Und das ist im Ernährungsbereich nicht selten richtig toxisch.
Die Psychologie hinter dem Superfood-Hype
Gesund, fit, glücklich – das sind universelle Sehnsüchte. Genau darauf setzt das Marketing: einfache Lösungen für komplexe Probleme. „Trink diesen Shake und verliere 10 Kilo“, „Nimm diese Kapseln und besiege deine Müdigkeit“, „Iss dieses Pulver und heile deine Hautkrankheiten“.
Das Problem: Wir wissen eigentlich alle, dass es keine Wunder gibt. Aber gerade in stressigen Zeiten oder bei gesundheitlichen Unsicherheiten sind Menschen anfällig für Heilsversprechen. Unternehmen nutzen das schamlos aus – von Beauty-Marken bis zu „Coach“-Start-ups.
Ein besonders krasses Beispiel: Eine Influencerin pries ihre Supplements mal als „Krebsheilmittel“ an. Solche Falschinformationen sind nicht nur unseriös, sie können sogar gefährlich werden.
Was sind eigentlich Superfoods?
Offizielle Definition? Gibt’s nicht. „Superfood“ ist ein reiner Marketingbegriff. Er klingt nach Magie, Gesundheit und Exklusivität – gesetzlich geregelt ist er aber nicht.
Gemeint sind meist exotische Lebensmittel mit hohem Gehalt an Vitaminen, Mineralstoffen oder sekundären Pflanzenstoffen. Beispiele: Acai, Goji, Chia, Moringa, Matcha, Spirulina.
Meist findest du sie als:
- getrocknete Früchte (Goji, Acai)
- Pulver oder Extrakte (Matcha, Spirulina)
- Zusätze in „funktionellen Lebensmitteln“ (Chia-Brötchen, Proteinriegel mit Superfood)
- Nahrungsergänzungsmittel (Kapseln, Tabletten)
Und ja, viele davon enthalten Nährstoffe. Aber: Das tun Brokkoli, Blaubeeren und Linsen auch – nur eben ohne fancy Namen.
Die Gesundheitsversprechen – und das Problem dabei
Superfoods werden gern mit folgenden Effekten beworben:
- antioxidativ, Anti-Aging
- Immunsystem stärken
- Stoffwechsel pushen
- beim Abnehmen helfen
- Krankheiten vorbeugen
Das klingt toll, aber: Wissenschaftlich sind die meisten Behauptungen nicht belegt.
Studienlage:
- Viele Untersuchungen sind Labor- oder Tierstudien – die Wirkung auf den Menschen ist damit offen.
- Dosierungen in Studien sind oft viel höher als das, was du mit Lebensmitteln aufnehmen würdest.
- Häufig wird nicht das Lebensmittel, sondern ein isolierter Stoff untersucht – der in der Praxis ganz anders wirkt.
Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart stellte schon 2017 fest: 90 % der getesteten Superfood-Produkte hatten Kennzeichnungsmängel oder unzulässige Gesundheitsclaims.
Können Superfoods auch schädlich sein?
Ja. Der Grundsatz „viel hilft viel“ funktioniert bei Nährstoffen nicht. Auch Vitamine und Mineralstoffe können in Überdosierung schaden.
Beispiele:
- Chiasamen: roh und ungequollen = Risiko für Verstopfung & Blähungen, wenn du zu wenig Wasser trinkst.
- Acai-Beeren: enthalten viel Mangan, das in zu hoher Menge die Eisenaufnahme blockieren kann.
- Superfood-Supplements: stark schwankende Zusammensetzungen, teils mit Schadstoffen oder falscher Dosierung.
Dazu kommt: Viele Superfoods stammen aus Ländern mit laxeren Anbauregeln. Rückstände von Pestiziden, Schwermetallen oder Bakterien sind keine Seltenheit. Und weil sie unreif geerntet und lange transportiert werden, gehen oft Nährstoffe verloren.
Nachhaltigkeit & Kosten – die Schattenseite
Neben der Gesundheit gibt’s noch ein anderes Thema: Umwelt und Fairness.
- Transportwege: Acai aus Brasilien oder Chia aus Südamerika haben einen massiven CO₂-Fußabdruck.
- Anbaubedingungen: Nicht immer nachhaltig, teils problematisch für Böden und lokale Gemeinden.
- Preis: Superfoods sind oft absurd teuer – für einen Nährstoffgehalt, den heimische Produkte locker erreichen.
Heimische Alternativen – unterschätzte Superfoods von nebenan
Das Gute: Du musst nicht weit reisen, um Nährstoffbomben zu bekommen. Viele heimische Lebensmittel liefern genauso viel – oft mehr.
- Schwarze Johannisbeeren: 175 mg Vitamin C/100 g (Goji: 48 mg/100 g).
- Grünkohl & Spinat: reich an Eisen, Calcium, Vitamin K.
- Blaubeeren: voller Antioxidantien, direkt aus dem Wald.
- Leinsamen: regionale Omega-3-Quelle, günstiger als Chia.
- Hafer: komplexe Kohlenhydrate, Ballaststoffe, Mineralstoffe.
👉 Fazit: Regional essen ist nicht nur günstiger, sondern oft auch gesünder – und nachhaltiger sowieso.
Wie du Marketing-Fallen erkennst
Damit du dich nicht von der nächsten „Detox-Kur“ blenden lässt, hier ein paar einfache Checks:
- Gesundheitsversprechen? Skepsis!
Wenn Produkte angeblich Krebs heilen oder 10 Kilo in 10 Tagen garantieren → Bullshit. - Evidenz suchen
Gibt es Studien am Menschen – oder nur Labortests an Zellen? - Kennzeichnung prüfen
Seriöse Produkte nennen Inhaltsstoffe und Mengen. - Supplemente nur nach Bedarf
Erst Arzt checken, ob wirklich ein Mangel vorliegt.
Fazit: Superfoods sind kein Zauber – aber auch nicht Teufelszeug
Superfoods sind nicht per se schlecht. Klar, ein paar Chiasamen im Müsli oder Matcha im Latte können lecker sein. Aber die Heilsversprechen sind überzogen – und oft gefährlich, wenn Menschen sie als Ersatz für eine ausgewogene Ernährung oder sogar medizinische Behandlung sehen.
Die Wahrheit ist wie immer unspektakulär:
- Abwechslung und Vielfalt im Speiseplan schlagen jedes „Wunderpulver“.
- Regionale Produkte sind mindestens genauso gesund, günstiger und nachhaltiger.
- Marketing checken schützt dich vor Geldverschwendung und Enttäuschungen.
Kurz gesagt: Iss bunt, abwechslungsreich und mit Freude – dann brauchst du kein „Superfood“, sondern hast ein ganz normales, echtes „Super-Leben“.
Quellen
Bundesinstitut für Risikobewertung (2022): Superfoods and Supplements – Risky or Healthy? https://www.bvl.bund.de/DE/Service/01_Infothek/07_themen/superfoods/Bericht-BfR-BVL_Superfoods.pdf?__blob=publicationFile&v=5
Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart (2017): Untersuchung von Superfoods
Verbraucherzentrale (2023): Superfoods kritisch betrachtet
Harvard Health (2021): The truth about superfoods
