Vorfreude auf Weihnachten
|

Vorfreude ist die schönste Freude

Warum wir Glück erleben, bevor es passiert

Die Lichter kommen zurück. Plötzlich hängt wieder ein warmer Schein in den Straßen. In der Küche riecht etwas nach Butter und Zimt, irgendwo flackert eine Kerze auf der Fensterbank und noch bevor irgendetwas „Besonderes“ passiert, merkt man es: dieses leise Kribbeln, das sich einfach einschaltet, ohne zu fragen. Vorfreude. Der Moment zwischen Jetzt und Bald, der nichts verspricht und trotzdem schon alles hat.

Und das Überraschende daran: Vorfreude ist kein romantisches Extra, kein sentimentales Winterphänomen. Unser Gehirn ist biologisch darauf ausgelegt, Glück vorzuziehen. Quasi ein Vorschuss, den wir kriegen, bevor das Ereignis selbst überhaupt stattfindet.

Warum unser Gehirn Vorfreude liebt

Dopamin ist das Stichwort. Nicht als „Glückshormon“, wie man es überall hört, sondern als Motor. Dopamin belohnt uns für jede Form von Erwartung: für Pläne, Ideen, Ziele, für alles, was mit „bald“ anfängt.[1] Unser Gehirn liebt Antizipation. Es liebt das „gleich passiert etwas“, sogar dann, wenn das eigentliche Ereignis später gar nicht so spektakulär ausfällt.[2]

Studien zeigen seit Jahren denselben Effekt:
Der Moment des Erwartens wirkt oft stärker als das Ereignis selbst.[3]
Das klingt ernüchternd, ist aber eigentlich beruhigend. Denn Glück ist damit nichts, das wir produzieren müssen, es entsteht automatisch, sobald wir anfangen, uns auf etwas einzustellen.

Und Vorfreude funktioniert in allen Größenordnungen:

  • Der Kaffee, der gleich durchläuft.
  • Die Serie, die auf einen wartet.
  • Das Wochenende, das langsam näher rückt.
  • Der Urlaub in sechs Monaten, der sich schon jetzt wie eine kleine Rettungsinsel im Kalender anfühlt.

Unser Gehirn unterscheidet nicht zwischen „klein“ und „groß“. Nur zwischen „jetzt“ und „bald“.

Warum Rituale die Vorfreude verstärken

Rituale strukturieren Antizipation. Sie machen Erwartung planbar.
Der Advent ist dafür das beste Beispiel: kleine Schritte, 24 Tage, jeden Tag ein Mini-Dopaminstoß. Eine Kerze, ein Türchen, ein Moment. Keine Riesenereignisse, aber eine kontinuierliche Erinnerung daran, dass etwas Schönes kommt.

Psychologisch betrachtet ist Vorfreude damit ein System, das uns durch den Alltag trägt. Sie erzeugt: 

  • Struktur
  • Sinn
  • Motivation
  • ein Gefühl von Kontrolle, selbst wenn das Leben gerade nicht besonders kontrollierbar ist

Es sind genau diese Mikro-Erwartungen, die den Dezember oft leichter machen als andere Monate. Und das trotz Kälte und Dunkelheit.

Vorfreude im Alltag: So simpel kann sie sein

Vorfreude ist nicht kompliziert. Sie hat nichts mit Perfektion zu tun und funktioniert auch ohne Weihnachtsbeleuchtung. Es reichen kleine Anker:

  • eine Playlist, die man erst abends hört
  • ein Kerzenritual am Schreibtisch
  • ein bewusst gesetztes „Darauf freue ich mich morgen“-Moment
  • kleine To-dos, die man nicht einfach „erledigt“, sondern zelebriert
  • Planungen, die man nicht nur organisiert, sondern genießt

Und dann gibt es die größeren Dinge: Reisen, Projekte, Lebensziele. Diese Art von Vorfreude trägt über Wochen und Monate. Sowas wie ein mentaler Kompass, der uns ausrichtet, lange bevor etwas passiert.

Weihnachten Helsinki, Vorfreude

Die besondere Form der Vorfreude: Schenken

Und dann ist da dieser eine Moment, den wir alle kennen:
Das Kribbeln, wenn man ein Geschenk gefunden hat, das genau richtig ist. Nicht teuer, nicht laut, aber „das wird sie treffen“.


Diese Art von Erwartung hat eine eigene Qualität. Sie mischt Freude, Spannung und ein bisschen Stolz. Und genau hier schüttet das Gehirn noch einmal ordentlich Dopamin aus: nicht, wenn wir das Geschenk bekommen – sondern wenn wir es geben.[4]

Vorfreude beim Schenken ist im Grunde die ehrlichste Form von Glück. Es geht nicht um uns, und trotzdem fühlen wir es.

Warum das perfekt zum Dezember passt

Vielleicht ist das der eigentliche Zauber dieser Jahreszeit oder auch des Weihnachtsmonats, wie die Finnen den Dezember nennen:
Vorfreude erinnert uns daran, dass Glück nicht erst bei der großen Geste entsteht. Es beginnt Wochen vorher. In kleinen Momenten, in Ritualen, in Plänen. Und manchmal schon in dem Augenblick, in dem wir anfangen, an andere zu denken, zuzuhören und einfach daran denken, was unsere Lieben glücklich machen wird.


Ausgabe Dezember 2025 Weihnachten

WEIHACHTEN 2025

Schenken Decoded: Echte Geschenke und große Momente

Quellen:

[1] Goedhoop, J., Arbab, T. & Willuhn, I. (2023). Anticipation of appetitive operant action induces sustained dopamine release in the nucleus accumbens. The Journal of Neuroscience, 43(21). https://doi.org/10.1523/JNEUROSCI.1527-22.2023

[2] Weinstein, A. M. (2023). Reward, motivation and brain imaging in human healthy participants – A narrative reviewFrontiers in Behavioral Neuroscience, 17. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37035621/

[3] Rong, Y. (2022). Expectations of immediate and delayed reward induce stronger neural responses and better behavioural performance. Cognitive, Affective, & Behavioral Neuroscience, 22(4), 753-766.https://www.researchgate.net/publication/362808494_Expectations_of_Immediate_and_Delayed_Reward_Differentially_Affect_Cognitive_Task_Performance

[4] Yin, J., Jiang, D., Wildschut, T., & Sedikides, C. (2024). Nostalgia, ritual engagement, and meaning in lifePersonality and Social Psychology Bulletin, 51(10), 1884-1896. https://doi.org/10.1177/01461672241235740

Das könnte dir auch gefallen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert