Toxische Positivität im Job
New Work – Hype oder toxische Positivität im Job?
New Work ist innovativ, dynamisch und lebendig. Alles ist neuer, besser, höher, weiter und eben super hyped und amazing. Es geht um Individualität, Selbstfindung und den Abschied von langweiligen 9 to 5 Standard-Jobs. Work-Life-Balance, Kicker oder ganze Sportangebote im Büro, Obstkorb und Teamfrühstück oder gemeinsame After-Work-Drinks – es wird immer besser. Wer da nicht liebend gern mitmacht, hat eben nicht das richtige Mindset. Alles was zählt, ist positiv zu sein – dann klappt schon alles andere.
Genau das ist in den letzten Jahren zu einer wahren Welle an Positivität gewachsen, die sich eben auch auf unser Arbeitsleben zieht. Negative Gedanken haben hier keinen Platz – und sind sogar verpönt – toxische Positivität im Job at it´s best!
„Good vibes only”, „You attract what you think about” oder „Don’t worry, be happy!”
Wenn du einen oder mehrere dieser Sprüche in irgendeiner Social Media-Biografie stehen hast, dann kann es gut sein, dass du eine Tendenz zur toxischen Positivität hast. Das kann man natürlich nicht einfach so sagen und behaupten, denn es gehört schon weitaus mehr hinzu. Aber wenn du merkst, dass du toxische Positivität im Job (re-)produzierst, dann wird es Zeit die eigenen Denkmuster aufzudecken, zu hinterfragen und eben auch zu ändern.
Positiv denken ist wichtig – aber nicht immer gesund
Ganz wichtig dabei – und ich wiederhole es gern immer wieder: positives Denken ist eine unglaublich wichtige Eigenschaft. Wenn wir jedoch merken, dass diese Positivität erzwungen ist und andere Emotionen verdrängt, dann ist dies ungesund. Auch im Miteinander ist es wichtig, dass wir negative Emotionen akzeptieren.
Das kann manchmal ganz schön schwer sein. Zum einen sind wir dazu sozialisiert, Negativität als schlecht zu bewerten und zum anderen sind toxisch-positive Phrasen wie „… aber sieh’ das doch positiv” oder „…betrachte das als Chance” auch ein Schutzmechanismus.
Viel besser ist es aber wirklich zuzuhören, empathisch zu sein und dann einzuschätzen, was unser Gegenüber gerade braucht. Das kann einfach zuhören sein, Trost, Unterstützung oder eben auch Motivation – aber Hauptsache nicht toxisch.
New Work und toxische Positivität im Arbeitskontext
Im Arbeitskontext könnte man dies so beschreiben, dass eine Idealvorstellung von positivem Denken besagt, dass Erfolg nur von harter Arbeit abhängt. Man muss also nur hart genug schuften und sich ins Zeug legen, um am Ende auch wirklich erfolgreich zu sein. Die Devise lautet demnach: Wer positiv denkt, kann überhaupt nicht scheitern.
Auf der anderen Seite ist es auch undenkbar und quasi nicht erlaubt, dass wir in irgendeiner Art unzufrieden sind, mit dem, was wir tun – ist ja im Endeffekt alles eine Sache der Einstellung.
Auch im New Work Kontext findet toxische Positivität im Job fruchtbaren Boden:
- Mails checken nach dem Feierabend? Work-Life-Blending!
- Arbeiten im Urlaub? Workation!
- Abends, am Wochenende arbeiten und von überall arbeiten? Flexible Arbeitszeiten und Remote Work.
Natürlich bieten New Work Strukturen enormes Potenzial, um den Arbeitsalltag individueller, flexibler und positiver zu gestalten. Aber genau hier liegt die Gefahr: Wird toxische Positivität am Arbeitsplatz zur Rechtfertigung von Überarbeitung, Unzufriedenheit oder ständiger Erreichbarkeit, dann kippt der Effekt ins Ungesunde.
Mitarbeiter: Mensch oder Roboter?
Traditionell gesehen gehören Emotionen und Empfindsamkeiten nicht an den Arbeitsplatz. Emotionen sollten außerhalb des Jobs gelassen werden, und über das Leben außerhalb der Arbeit zu sprechen, war „unprofessionell“.
In den letzten Jahren wurde jedoch immer mehr auf Emotionen bei der Arbeit eingegangen. Die Aufmerksamkeit verlagert sich auf das Verständnis, dass Menschen ihr gesamtes Spektrum an Emotionen an den Arbeitsplatz bringen. Schließlich sind sie Menschen, keine Roboter. Ein äußerst positiver Teil der New Work Bewegung.
Aber: Wenn Emotionen verdrängt werden, steigt das Risiko von Stress, Burnout und inneren Konflikten. Hier zeigt sich, wie schnell toxische Positivität im Job zur Falle werden kann.
Mehr Schein als Sein
In vielen Organisationen entsteht Druck, immer positiv zu wirken. Teams, die negatives Feedback meiden, und Führungskräfte, die kein authentisches Verhalten zeigen, fördern diese Kultur.
Auf individueller Ebene basiert der Druck auf Positivität oft auf Karrierewünschen oder dem Bedürfnis, Konflikte zu vermeiden. Genau hier setzt die Theorie des Impression Management an: Menschen versuchen bewusst ein Bild von sich selbst zu erzeugen – und in einer Welt voller „Good Vibes“ heißt das eben oft, glücklich wirken zu müssen.
Toxische Positivität schlägt doppelt zu
Das Problem: Toxische Positivität im Job wirkt nicht nur oberflächlich, sie verstärkt sogar negative Gefühle. Denn wenn Menschen sich schuldig fühlen, weil sie überhaupt „negative“ Emotionen haben, wird aus dem ursprünglichen Stress noch ein zweiter Belastungsfaktor.
Studien zeigen: Wer Emotionen unterdrückt, riskiert mehr Stress, Burnout und sogar Depressionen. Anstatt immer glückliche Selbstbilder aufrechtzuerhalten, sollten wir akzeptieren: Gefühle gehören auch ins Arbeitsleben.
Fazit: New Work ohne toxische Positivität
New Work soll Freiheit, Flexibilität und Selbstbestimmung bringen. Aber wenn alles nur „positiv“ sein darf, kippt der Gedanke ins Gegenteil. Toxische Positivität am Arbeitsplatz verschleiert Probleme, erhöht Druck und führt am Ende zu weniger Authentizität und mehr Stress.
Die Wahrheit ist: Wir dürfen auch unzufrieden sein, Fehler machen, frustriert sein. Erst wenn wir alle Emotionen zulassen, können wir wirklich gesund, produktiv und motiviert arbeiten.
Denn am Ende gilt: Wir haben die Freiheit, unglücklich zu sein.

