Was ist Glücksforschung?
Die Wissenschaft vom guten Leben
Glück ist ein universelles Ziel. Fast jeder Mensch strebt danach, ein erfülltes, zufriedenes und glückliches Leben zu führen. Aber was genau bedeutet „Glück“ – und lässt es sich überhaupt messen? Genau hier setzt die Glücksforschung an. Sie ist ein vergleichsweise junger, interdisziplinärer Wissenschaftszweig, der untersucht, welche Bedingungen Menschen als „glücklich“ empfinden, welche Faktoren dabei eine Rolle spielen und wie dieses Wissen im Alltag, in Politik oder Wirtschaft angewandt werden kann.
In diesem Artikel erfährst du, wie sich Glücksforschung definiert, welche historischen Wurzeln sie hat, welche aktuellen Studien es gibt und warum der World Happiness Report 2025 ein zentrales Werkzeug geworden ist, um den Zustand von Gesellschaften zu bewerten.
Glück – ein altes Thema in neuem wissenschaftlichem Gewand
Schon die großen Philosophen der Antike suchten nach einer Definition des Glücks. Besonders Aristoteles (384–322 v. Chr.) formulierte eine frühe „Glückstheorie“. Für ihn war Glück – die sogenannte Eudaimonia – das höchste Gut des Menschen, unabhängig von Zufall und materiellen Dingen. Glück bedeutete für ihn Selbstgenügsamkeit und ein Leben im Einklang mit Tugend. Sein Konzept der „goldenen Mitte“ – also das richtige Maß zwischen Extremen zu finden – sollte Menschen dabei helfen, ein gutes Leben zu führen.
Dieses philosophische Fundament prägt die Glücksforschung bis heute: Glück ist nicht nur ein kurzfristiges Gefühl, sondern auch eine Haltung, die mit Sinn, Tugend und Selbstwirksamkeit verbunden ist.
Was versteht man heute unter Glücksforschung?
Die moderne Glücksforschung ist interdisziplinär. Sie vereint Psychologie, Soziologie, Ökonomie, Philosophie und sogar Neurowissenschaften. Sie versucht, Glück messbar zu machen – sowohl subjektiv als auch objektiv.
- Subjektives Wohlbefinden: Hier geht es darum, wie Menschen selbst ihr Leben einschätzen. Fragebögen und Umfragen messen Lebenszufriedenheit, positive und negative Emotionen oder das Gefühl von Sinn.
- Objektive Indikatoren: Zusätzlich werden Faktoren wie Einkommen, soziale Sicherheit, Gesundheit oder politische Stabilität betrachtet.
Glücksforschung untersucht also nicht nur das individuelle Empfinden, sondern auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die ein „gutes Leben“ begünstigen.
Der World Happiness Report – die globale Messung von Glück
Seit 2012 veröffentlicht die UNO jährlich den World Happiness Report (WHR). Grundlage ist eine weltweite Befragung, in der Menschen einschätzen, wie zufrieden sie mit ihrem Leben auf einer Skala von 0 bis 10 sind. Zusätzlich fließen Daten wie Einkommen, soziale Unterstützung, Lebenserwartung, Entscheidungsfreiheit, Großzügigkeit und Korruption ein.
Ergebnisse 2025
Im aktuellsten Report (März 2025) liegt Finnland bereits zum achten Mal in Folge auf Platz 1 der glücklichsten Länder der Welt. Dahinter folgen Dänemark, Island und Schweden. Deutschland bewegt sich im Mittelfeld (Platz 24). Auffällig ist, dass skandinavische Länder trotz kaltem Klima und hoher Steuern konstant so weit oben stehen. Forschende führen dies vor allem auf ein starkes soziales Sicherheitsnetz, Vertrauen in Institutionen und ein hohes Maß an Gemeinschaftsgefühl zurück.

Der WHR 2025 betont zudem neue Themen: Neben klassischen Faktoren rückt die mentale Gesundheit stärker in den Fokus. Studien zeigen, dass Einsamkeit, Stress und Ungleichheit großen Einfluss auf das Wohlbefinden haben. Länder, die aktiv in Prävention und soziale Verbindungen investieren, schneiden besonders gut ab.
Bhutan und das Konzept des Bruttonationalglücks
Ein Land, das Glück offiziell als Staatsziel verankert hat, ist Bhutan. Bereits im 18. Jahrhundert wurde dort das „Bruttonationalglück“ (BNG) entwickelt. Statt reinem Wirtschaftswachstum wie dem Bruttoinlandsprodukt misst Bhutan den Fortschritt an spirituellen, kulturellen und ökologischen Werten.
Das berühmte Zitat aus dem bhutanischen Rechtskodex von 1629 lautet:
„If the government cannot create happiness for its people, then there is no purpose for government to exist.“
Das Modell hat international Diskussionen ausgelöst: Sollten Staaten Glück als politische Messgröße etablieren? Während Kritiker meinen, Glück sei zu subjektiv, argumentieren Befürworter, dass BNG die Lebensqualität umfassender abbildet als reine Wirtschaftszahlen.
Aktuelle Forschung – Glück auf Zellebene?
Neben Umfragen und Gesellschaftsanalysen spielt auch die Biologie eine Rolle. Moderne Studien zeigen: Glück ist eng mit Neurotransmittern wie Serotonin, Dopamin und Oxytocin verknüpft. Das „Glückshormon“ Serotonin wird zu 90 % im Darm produziert – eine stabile Darmflora kann also direkten Einfluss auf unsere Stimmung haben.
Andere Forschungszweige untersuchen den Zusammenhang zwischen Glück und Gesundheit. Menschen mit hoher Lebenszufriedenheit haben ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, weniger chronische Entzündungen und eine höhere Lebenserwartung.
Die Psychologie wiederum belegt, dass soziale Beziehungen einer der stärksten Glücksfaktoren überhaupt sind. Nicht materieller Wohlstand, sondern stabile Freundschaften und gute Familienbindungen machen langfristig zufriedener.
Kritik an der Glücksforschung
So faszinierend die Erkenntnisse sind – Glücksforschung hat auch ihre Grenzen. Kritiker bemängeln:
- Glück sei schwer vergleichbar, da es kulturell unterschiedlich definiert werde.
- Umfragen könnten nur Momentaufnahmen liefern und seien von Stimmungsschwankungen abhängig.
- Politik könnte Glücksdaten missbrauchen, um Maßnahmen zu rechtfertigen.
Dennoch sind sich Forschende einig: Glücksforschung liefert wichtige Hinweise, wie Gesellschaften gerechter und gesünder gestaltet werden können.
Glücksforschung im Alltag: Was können wir daraus lernen?
Auch für uns persönlich bietet die Forschung wertvolle Impulse. Sie zeigt, dass Glück weniger von äußeren Umständen als von inneren Einstellungen abhängt. Achtsamkeit, Dankbarkeit, soziale Nähe und sinnvolle Tätigkeiten haben nachweislich positive Effekte.
Gerade in Finnland oder Dänemark sieht man: Glück entsteht nicht durch Luxus, sondern durch Vertrauen, Gemeinschaft und das Gefühl, Teil einer stabilen Gesellschaft zu sein. Das können wir im Kleinen für unser Leben adaptieren: mehr Zeit mit wichtigen Menschen verbringen, bewusster leben und uns weniger auf Vergleich und Konsum fixieren.
Fazit: Glück ist messbar – und doch individuell
Glücksforschung ist mehr als eine akademische Disziplin. Sie verbindet Philosophie, Psychologie und Politik, um Antworten auf eine uralte Frage zu finden: Was macht den Menschen glücklich?
Ob durch den World Happiness Report 2025, das Modell des Bruttonationalglücks oder neurowissenschaftliche Studien – die Erkenntnisse zeigen, dass Glück nicht nur ein subjektives Gefühl, sondern auch ein gesellschaftlicher Zustand ist. Und dennoch bleibt die wichtigste Botschaft: Jeder trägt Verantwortung für sein eigenes Glück.
Oder wie es Aristoteles schon vor über 2000 Jahren formulierte: Glück ist kein Zufall, sondern das Ergebnis unserer Haltung und Handlungen.
Quellen
Helliwell, J., Layard, R., Sachs, J., De Neve, J., Aknin, L. & Wang, S. (2025). World Happiness Report 2025. Sustainable Development Solutions Network. https://worldhappiness.report
Diener, E., Oishi, S., & Tay, L. (2023). Advances in subjective well-being research. Nature Human Behaviour, 7, 10–20. https://doi.org/10.1038/s41562-022-01432-5
OECD (2024). How’s Life? Measuring Well-being. OECD Publishing, Paris. https://doi.org/10.1787/9789264307279-en
Lambert, S., & Garcia, R. (2022). The role of social connections in happiness and health. Frontiers in Psychology, 13, 889765. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2022.889765

